Experteninterview – 14 Fragen an Prof. Dr. med. Gerhard Dobler und Dr. Lidia Chitimia-Dobler

Ihre Frau und Sie gehören zu den führenden Zeckenexperten in Deutschland, wenn nicht sogar weltweit und beschäftigen sich mit diesem Thema schon seit Jahrzehnten. Kommen bei Ihnen auch Fragen aus der Bevölkerung zum Thema Zeckenentfernung an? Also kann bzw. darf man Sie auch Mal anrufen oder anschreiben, wenn man Fragen zu Zecken hat?

Grundsätzlich ja, bei Fragen zu Zecken wird diese meine Frau beantworten. Hier ist sie sicherlich die Expertin. Bei Fragen zu FSME werde ich gerne beraten und unterstützen.

Das Thema Zeckenentfernung ist ja bei den Menschen seit Jahrzehnten ein Thema mit zwei Lagern. Die Einen sagen „rausziehen“ ist besser, die Anderen sagen „rausdrehen“ ist besser. Nun begleiten Sie seit längerer Zeit die neue Innovation Zeckendreher, die nur durch reine Rotation mit einer weichen Pinselhaube Zecken umhüllt und löst, sodass sich sogar Kinder selbst Zecken angstfrei, teils mit einem Lächeln im Gesicht entfernen können. Was sagen Sie dazu, dass sich nun auch Kinder ohne Angst selber Zecken entfernen können und dabei teils lachen müssen, weil es etwas kitzelt?

Der Zeckendreher ahmt ja das natürliche Loslassverhalten der Zecke aus der Stichstelle nach. Damit ist der Zeckendreher das  Mittel, das am natürlichsten imitiert, die Zecke zu entfernen. Zecken Herausziehen ist eine sehr brachiale Methode. Zecken drehen hatte schon in der Vergangenheit immer die Idee, die Zecke zu lockern. Per Hand ist es aber schwierig, die Kraft in Verbindung mit Drehbewegungen auf die Zecke richtig zu dosieren. Daher wurde die Zecke häufig gequetscht, zu schnell gedreht und das Hypostom abgebrochen. Außerdem muss man die Zecke mehrfach langsam um ihre Achse drehen. Deshalb wird das manuelle Drehen mit bisher verfügbaren Werkzeugen nicht empfohlen. Für den elektrischen Zeckendreher ohne aktive Krafteinwirkung gilt das jedoch nicht mehr.

Bei Zeckenentfernungen mit herkömmlichen starren Vorrichtungen, wie Pinzetten, Zangen, Karten, Haken oder Schlingen kommt es durch die aktive Krafteinwirkung zwangsläufig zu Quetschungen und auch öfters zu Abrissen der Zeckenkörper. Bei der Methode des Zeckendrehers nur durch langsame Rotation ist das, Dank der durchsichtigen Zentrierhülse nicht möglich. Auch ein zu fester Druck mit den weichen Härchen der Pinselhaube auf die Zecke kann somit nicht stattfinden. Wie beurteilen Sie diese Situation? Sollen die Menschen lieber weiter aktiv ziehen und hebeln oder lieber sanft und langsam an Zecken drehen?

Der Zeckendreher ist die sanftere, schonendere und bessere Methode, insbesondere für Kinder. Gerade für eine schmerzfreie Zeckenentfernung und in der Hinsicht auf die Übertragung von Krankheitserregern.

Da die Zecken nach der Entfernung mit dem Zeckendreher keine Thanatose, das heißt keine Schutzhaltung einnehmen, kann man davon ausgehen, dass dieses rotierende Verfahren ohne Stress und ohne Bedrohung/ Irritation für die Zecke abläuft?

Ja, das zeigt sich auch daran, dass sich jede Zecke direkt nach dem Entfernen sofort bewegt.

Wie erklären Sie sich, dass die Zecken nach einer Entfernung durch Zug oder Hebel, z.B. mit einer Pinzette, Zange, Haken oder Karte sehr oft in ihre Schutzhaltung verfallen und erst nach einer gewissen Zeit wieder „erwachen“ und weglaufen? Liegt das am Greifen und dem Druck der starren Zug- und Hebelwerkzeuge auf die weiche Zecke?

Ich denke, das ist kein einzelner Faktor. Es ist der gesamte Prozess dieser Irritation auf den weichen Zeckenkörper mit starren Werkzeugen, der zur Schutzhaltung führt.

Also auch, wenn ich demnach eine Zecke möglichst nahe über der Haut z.B. mit einer Pinzette greife, quetsche ich sie zwangsläufig immer, auch am Stechapparat, dem Capitulum mit den Speichelkanälen und den Muskelgruppen der Zecke?

Ja, natürlich!

Wie Ihre Frau bereits bestätigt hat, gibt die Zecke alleine durch sanfte und langsame Rotation mit den weichen Pinselhauben des Zeckendrehers ohne Zug und Krafteinwirkung auch keinen Speichel an den Wirt ab. Stimmen Sie da Ihrer Frau zu?

Ja, es ist das natürliche Loslassverhalten, dass mit dem Zeckendreher imitiert wird. Diese Situation entspricht den natürlichen Drehbewegungen der Zecken und ist damit auch kein Stress für sie. Außerdem wird die Zecke mit dem Zeckendreher ja in keiner Weise gequetscht.  Somit wird bei dieser Methode auch kein Speichel an den Wirt abgegeben.

Sie konnten mit dem Zeckendreher ja bereits mit Ihrer Frau einige Laborzecken auf Knopfdruck am Menschen entfernen. Ein involvierter Allgemeinarzt wünscht sich den Zeckendreher in den Haushalten der Bevölkerung, da ihn erstens jeder Ottonormalbürger, ja sogar Kinder risikolos standardisiert gleich bedienen kann wie ein Arzt und zweitens, er nachts nicht mehr wegen einer Zecke in die Notaufnahme müsste. Der Patient spare durch die sichere Anwendung auch viel wertvolle Zeit. Teilen Sie als Wissenschaftler auch diese Meinung?

Ja, je schneller und sicherer die Zecke entfernt wird, desto besser. Die Zecke soll sofort sicher und möglichst risikolos entfernt werden. Man sollte zwar schnell handeln, aber beim Handeln Ruhe bewahren und der Zecke etwas Zeit geben, sich zu lösen. Deshalb haben wir auch bei der Entfernung mit der Pinzette immer angeraten, nicht schnell und ruckartig anzuziehen. Eine Zecke sollte man sich selbst entfernen können und damit nicht zum Hausarzt oder in die Klinik gehen. Das spart zum einen Zeit, zum anderen aber auch Ressourcen beim Arzt.

Stimmen Sie zu, dass es auch in Bezug auf Erregerübertragung für den Laien besser ist, eine Zecke lieber ein paar Mal mit dem Zeckendreher risikoarm, sanft herauszudrehen oder lieber einmal greifen und auf die Gefahr eines Abrisses hin mit Zugkraft herauszuziehen?

 Ja, natürlich würde ich den Zeckendreher zuerst benutzen. Lieber ein paar Mal sanft drehen, als die Zecke zu schnell oder zu brachial zu belasten oder gar abzureißen. Wenn es wirklich nach mehreren Versuchen z.B. an einer schwer zugänglichen Stelle nicht funktioniert, kann man immer noch die Pinzette verwenden. Man sollte einer Zecke aber in jedem Fall etwas Zeit zum Lösen geben.

Wir können heute ziemlich genau festhalten, dass sich die Zecken nach etwa 3 vollständigen Umdrehungen aus ihrem Wirt lösen und wegkrabbeln. Alle Zecken brauchen also Drehbewegungen, um sich aus ihren Wirt lösen zu können. Ein Herausziehen des Hypostoms aus dem Wirt konnte jedoch bei keiner Zecke beobachtet werden. Bei näherer Betrachtung konnte unter dem Mikroskop am Stechrüssel der Zecken daraufhin eine Gleichmäßigkeit in der Anordnung der rautenförmigen Widerhaken festgestellt werden, die mit ihren diagonalen Linien zu beiden Seiten an ein 2-Wege-Gewinde aus dem Maschinenbau erinnert. Herr Prof. Dr. Konrad Dettner stellte fest, dass diese diagonalen Gewindestrukturen bei jeder Zecke (Holzbock) ab dem Nymphenstadium gleich sind und dass das wohl der Grund ist, wieso sich die Zecken alle rotierend aus ihrem Wirt trotz der Widerhaken lösen können. Stimmen Sie mit dieser Beobachtung überein?

Ja, das ist so. Die neuen Beobachtungen belegen dies schlüssig.

Stimmen Sie folgender Aussage eines Kinderarztes zu, der Zecken schon immer lieber drehend entfernt: „Das Abraten des Drehens, gerade an kleinen Zecken bezog sich auf bisherige starre Werkzeuge mit Greif- oder Hebelfunktionen, da eine Zecke durch Präzisionsmangel und das aufwendige Nachgreifen beim Drehen im Vergleich zum einmaligen Ziehen zu sehr über Gebühr belasten könnte. Bisher war auch noch nicht weitläufig bekannt, dass sich Zecken nach etwa drei Umdrehungen aus dem Wirt lösen. Ziehen war nicht die perfekte Lösung aber das geringste Übel. Da diese neuen Erkenntnisse jetzt bekannt sind und es nun eine Alternative zu Pinzette, Zange, Haken, Karte und Co gibt, ist es nun schlüssig und sinnvoller, eine Zecke ohne Zug und Hebel, nur mit einer weichen rotierenden Pinselhaube zu lösen, als riskant an ihr zu ziehen oder zu quetschen?“

Ja, das ist so. Es ist per Hand mit bisherigen Werkzeugen nicht möglich, genau den richtigen Druck, die richtige Drehgeschwindigkeit kontinuierlich langsam über mehrere Umdrehungen präzise an einer kleinen Zecke anzuwenden, um sie drehend zu entfernen. Das ist auch der Grund, warum man bisher vom Drehen an Zecken abgeraten hat.

Nachdem Sie nun auch das rotierende Loslassverhalten der Zecken in einigen Videos beobachten konnten, Sie nun die Entwicklung des Zeckendrehers begleiten durften und ihn auch in der Praxis hautnah testen konnten, würden Sie ihn für die Menschen und die Haustiere empfehlen?

Ja, natürlich! Das Schöne beim elektrischen Zeckendreher ist auch, dass er gleichermaßen von einem Arzt, von einem Laien oder einem Kind angewendet werden kann. Die Anwendung kann risikofrei auch mehrmals wiederholt werden, bis sich die Zecke gelöst hat.

Eine Ihnen bekannte Professorin und Zeckenwissenschaftlerin gab neulich in einem Fernsehinterview zu, dass sie persönlich die Zecken an sich selber auch immer lieber herausdreht und nicht zieht. Wie machen Sie das in Ihrer Familie, persönlich? Nutzen Sie auch den Zeckendreher, wie Herr Prof. Dr. Dettner?

GD: „Schmunzelt.“ Wenn wir einen Zeckendreher zur Hand haben, verwenden wir den Zeckendreher. Ansonsten entfernen wir die Zecken auch anders. Wichtig ist ein zeitnahes aber vorsichtiges Entfernen.

Letzte Frage. Da Sie und auch Ihre Frau nun alles über die neue einzigartige Methode des Zeckendrehers wissen: „Der Zeckendreher imitiert das natürliche Loslassverhalten der Zecken!“ Stimmen Sie und Ihre Frau dieser Aussage nach wie vor zu?

Ja, sicher. Es hat sich nichts an unserer Meinung verändert.

*Quelle: https://www.unibw.de/zentralinstitut-studiumplus/lehre/seminare/dozentinnen-und-dozenten/gerhard-dobler


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